Fäden der Langsamkeit – Die stille magische Brennnessel

Bei strahlendem Sonnenschein und wechselhaften Böen trafen sich Frauen – und ein Mann – aus dem ganzen Mittelland: aus Luzern, Bern, dem Emmental, dem Aargau und dem Thurgau. Ihr Ziel: die urige Blockhütte in Kreuzlingen, wo Naturpädagogin Nadja Hillgruber zum Kurs „Magie der Brennnessel“ einlud.

Schon beim Ankommen lag eine besondere Stimmung in der Luft – eine Mischung aus Neugier, Vorfreude und stiller Verbundenheit. Jede und jeder brachte eine eigene Geschichte mit, die ihn mit der Brennnessel verbindet: das Märchen von den sieben Schwänen oder Raben aus Kindheitstagen, die Erinnerung an brennende Finger beim Spielen und gärtnern im Gras, der Duft einer warmen Teetasse oder das Wissen um die heilende Kraft dieser oft zu Unrecht als Unkraut benannten Pflanze.

Nach einer herzlichen Begrüssungsrunde lud Nadja Hillgruber dazu ein, den Alltag loszulassen und ganz im Hier und Jetzt anzukommen. Ein Brennnesselblatt auf dem „dritten Auge“ half dabei – ein leichtes Kribbeln inklusive. Dann begann das praktische Arbeiten: Mit frischen Brennnesselstängeln wurden Fäden abgezogen und zu kleinen Kordeln gedreht – ein stiller, fast meditativer Moment, begleitet vom Rascheln der Blätter und der Beginn der magischen Reise.

Bald darauf duftete es aus der Teekanne: frisch aufgebrühter Brennnesseltee wärmte von innen und stärkte für die nächste Etappe. Für das gemeinsame Mittagessen hatte jede*r etwas mitgebracht – ein buntes, köstliches Buffet, das so vielfältig war wie die Pflanze selbst.

Gestärkt und neugierig machten sich die Teilnehmenden am Nachmittag an die Arbeit mit den getrockneten Stängeln, die Nadja umsichtig an Waldrändern gesammelt hatte. Geduldig, in konzentrierter Freude am Werkeln mit diesem Naturmaterial, lernten die Brennnesselfreund*innen, wie viel Sorgfalt und Zeit es braucht, um die feinen Fasern zu gewinnen.

„Die Brennnessel lehrt uns Langsamkeit“, sagte Nadja. „In einer Welt, die immer schneller wird, erinnert sie uns daran, dass Schönheit und Stärke aus Ruhe entstehen.“

Diese Botschaft begleitete den ganzen Nachmittag. Zwischen lebendigem Austausch und stiller Konzentration entstanden aus der neu erwachten Kreativität kleine Kunstwerke – feine Kordeln, weiche Fasern und erstaunlich stabile Fäden. Hände, die zu Beginn noch zögerten, bewegten sich am Ende mit ruhiger Sicherheit. Und in den Gesichtern spiegelte sich Dankbarkeit und Staunen für die selbst gemachten Werke und Ehrfurcht für diese Wunderpflanze. Die Brennnessel – oft übersehen und gefürchtet – verkörperte an dem wilden Naturhandwerktag die paradoxe Kraft des Lebens: Schmerz als Lehrer, Reiz als Erinnerung an Präsenz. Das Brennen der Pflanze ruft zur Achtsamkeit auf, ihr Feuer zur Klarheit und Selbstbehauptung.
Mit ihren selbst geschaffenen Schätzen, erfüllt und genährt von Wärme, Gemeinschaft und einem Hauch Brennnesselmagie, traten die Teilnehmenden den Heimweg an. Eine Frau schmunzelte: „Wenn die Prinzessin im Märchen der sieben Schwäne ihre Hemden aus Brennnesseln wirklich selbst gesponnen hat – dann hat sie unglaublich viel Geduld gehabt!“

Ein Kurstag, der zeigte, dass selbst die einfachste Pflanze ein Tor zu innerer Ruhe, Kreativität und Naturverbundenheit sein kann – die Magie der Brennnessel in ihrer schönsten Form.

Termine 2026

20251026_114029.jpg
20251026_123425.jpg
20251026_165825.jpg
20251026_171901.jpg
20251026_171905.jpg
Blog-1.jpg
Nadja-1.jpg